CDU-Kreisverband Prignitz

Keine Kontrolle für Abgeordnete

Kein Impf- oder Testnachweis für Prignitzer Kreistagspolitiker / Kritik aus den Fraktionen

Prignitz | Die Corona-Inzidenz in der Prignitz wird noch in dieser Woche die 1000er-Marke überspringen. Allein heute meldet das Gesundheitsamt Perleberg knapp 300 Neuinfektionen - ein Rekordwert. Der Bürger muss sich durch 3G-, 2G- und 2GPlus-Regeln kämpfen, will er den Alltag meistern. Kreistagsabgeordnete hingegen haben es einfacher. Sie müssen in Sitzungen weder einen Impfnachweis noch einen anerkannten Schnelltest nachweisen. So legt es das gültige Hygienekonzept fest.
Strenge Regeln für Bürger

Ganz offensichtlich wird es den Prignitzer Kreistagsabgeordneten einfacher gemacht als den Bürgern. „Kunden können kleine Geschäfte betreten, wenn unverzüglich nach Betreten der Impf- bzw. Genesenennachweis kontrolliert wird“, erklärt der Landkreis auf seiner eigenen Homepage die aktuelle Eindämmungsverordnung. Oder ein zweites Beispiel für die 2G-plus-Regel in der Gastronomie: Zutritt in Gaststätten, Cafés, Bars oder Kneipen haben vollständig Geimpfte und nachweislich Genesene, die einen aktuellen, negativen Testnachweis vorzeigen. Nach einer Boosterimpfung entfällt der Testnachweis.

Kreistagsabgeordnete brauchen für ihre politische Tätigkeit gar nichts davon. Im Hygienekonzept des Landkreises vom 18. Januar heißt es: „Eine Abfrage zum Impfstatus und zum Testnachweis durch die Mitarbeiter der Kreisverwaltung ist möglich." Sie kann also erfolgen, muss aber nicht. Auch der Schnelltest ist freiwillig. Er muss nicht einmal in einer Teststelle erfolgen. „Mit der Einladung erhalten die Ausschussmitglieder einen Antigen-Schnelltest. Dieser dient einer freiwilligen Testung am Sitzungstag", heißt es im Konzept weiter.

Rechtlich ist das möglich

Diese Maßnahmen dienen laut Hygienekonzept „dem Schutz der Kreistagsabgeordneten einschließlich aller Sitzungsteilnehmer vor einer Ausbreitung des SARS-Cov-19-Virus". Rein rechtlich ist dagegen nichts einzuwenden. Die Eindämmungsverordnung gilt für Abgeordnete nicht. Das Selbstorganisationsrecht des Landtags und der kommunalen Vertretungskörperschaften bleibt von den Maßgaben dieser Verordnung unberührt. Aber es stellen sich viele Fragen.

Die Abgeordneten sind fast ausschließlich 50 Jahre und älter. Sie gehören zur sogenannten vulnerablen Gruppe, die die Politik besonders schützen möchte. In der Praxis bedeutet dieses Konzept jedoch völlige Unklarheit. Theoretisch könnten alle Abgeordneten ungeimpft und ohne Coronatest an der Sitzung teilnehmen - im Beisein der Führungskräfte der Kreisverwaltung und von Bürgern.

Perleberg und Wittenberge sind strenger

Die Städte Perleberg und Wittenberge verfahren anders. In beiden Stadtparlamenten müssen die Abgeordneten ihren Impfstatus vorzeigen bzw. ein Testergebnis. Das wird beim Einlass kontrolliert. Beispielhaft heißt es in der Mitteilung der Stadt Wittenberge vom 20. Januar: „Zutritt erhalten ausschließlich Personen, die einen auf sie ausgestellten Testnachweis vorlegen können bzw. geimpft oder genesen sind."

In der Tat lässt der Gesetzgeber den Behörden freie Wahl. Die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg sieht keine definierten Infektionsschutzmaßnahmen für Sitzungen kommunaler Gremien vor. Wittenberge orientiert sich aber an Empfehlungen des Innenministeriums. Bürgermeister Oliver Hermann und der Stadtverordnetenvorsitzende Karsten Korup haben mit einem Eilentscheid die rechtliche Grundlage geschaffen.

Kontrolle im Landtag

Auch der Landtag hat strengere Regeln. Landtagsabgeordnete müssen ihren Impfstatus nachweisen oder ein Testergebnis. Wer das nicht kann oder möchte, darf zwar an Sitzungen teilnehmen, muss aber in einem dafür abgegrenzten Bereich sitzen. Umgangssprachlich wird dieser als "Seuchenecke" bezeichnet. Nach Informationen unserer Zeitung saß dort bisher niemand.

Abgeordnete sind selbst verwundert

Die Prignitzer Regel stößt selbst in den Fraktionen auf Widerspruch. Bärbel Treutler, Fraktionschefin der Grünen, hat an den Kreistagsvorsitzenden Harald Pohle (SPD) geschrieben: „Mit großer Verwunderung nehme ich zur Kenntnis, dass es weiterhin nur eine 'kann-Regelung' zur Überprüfung des Impfstatus im Hygienekonzept für Gremien des Kreistages geben soll." Sie fragt Pohle: „Mit welcher Begründung wird in den Gremien des Kreistages weiterhin auf freiwillige Angaben gesetzt?"

Auch der Abgeordnete und Prignitzer CDU-Parteichef Gordon Hoffmann hält die Regelung für falsch. Er sagt: „Politik und Verwaltung sollten ihrer Vorbildfunktion gerecht werden." Er hätte eine Testpflicht für alle als richtig empfunden. „Man kann nicht von anderen verlangen, was man selbst nicht leistet."

Auch die Linken üben Kritik. Ihr Fraktionsführer Thomas Domres befürwortet den Nachweis einer Impfung und einer Boosterimpfung. Ansonsten fordert er einen „beglaubigten Selbsttest". Der könnte innerhalb der Fraktionen durchgeführt werden, sagt Domres. So wird es im Landtag praktiziert.

Harald Pohle relativiert die Äußerungen im Hygienekonzept: „Wir werden abfragen", sagt er. Im Konzept ist das aber nicht so formuliert. Da die Inzidenz weiter steige, sei auch eine Verschärfung der Regel möglich. Am Montag werde der Ältestenrat tagen und abstimmen. Fraktionen könnten sich positionieren. Die vom Ältestenrat getroffene Entscheidung sei dann gültig.

– Quelle: https://www.svz.de/35114227 ©2022